Predigt Narren um Christi willen

Predigt Narren um Christi willen (1. Kor. 4) oder dem verrückten Jesus nachfolgen 

Gehalten 2019

Liebe Gemeinde, werte Zuhörer*innen,

In diesen Tagen hat das sogenannte „närrische Treiben“ begonnen und einem Narren zu begegnen. ist auch nichts ungewöhnliches – es gibt ja leider viele davon!

dass Glaubende Narren oder Verrückte seien, das sagt heutzutage kaum noch jemand - weder wir Christen selbst - noch solche, die von Glaube, Kirche oder Bibel wenig oder nichts halten. Deshalb habe ich schon bei dem Wort Narr oder frei übersetzt „Verrückter“ etwas „gezahnt“

Ein Leben lang Narr zu sein, ist vielleicht schon gewöhnungsbedürftig. Gerade diese ungewöhnliche Rolle spricht uns die Bibel zu (zumindest Paulus!):

Ich möchte den bekannten Text aus 1.Kor.4: „Narren um Christi willen“ jetzt nochmals lesen:

Wir sind ein Schauspiel geworden der Welt und den Engeln und den Menschen. Wir sind Narren um Christi willen, schwach und verachtet. Man schmäht uns, so segnen wir; man verfolgt uns, so dulden wir’s; man verlästert uns, so reden wir freundlich. Wir sind geworden wie der Abschaum der Menschheit, jedermanns Kehricht, bis heute.“

oder eben zusammenfassend:

„Narren um Christi willen!“

Liebe Gemeinde,

Narren sind nach der Volksmeinung Menschen, die abnormale Dinge tun und damit eine törichte, dumme Denkensart beweisen.

Narren sind damit Tore, Spinner, Totalverquerte, aus-der-Norm-Fallende, Unnormale, Ver-rückte, von-Sinnen-Seiende, Irre.

Allerdings ist uns heute das Narr-Sein ziemlich fremd geworden.

  1. Funktion der Narren in der Geschichte

Es gab allerdings eine Zeit in Deutschland, wo die Narren die Funktion hatten, die Wahrheit zu sagen oder sagen zu dürfen – und zwar als Einzigste! Diese Narren des Mittelalters agierten in einer Zeit, in der die Herrscher die absolute Macht hatten und niemand widersprechen durfte, wo Widerspruch mit dem Tode bestraft wurde. Der Narr, der Hofnarr durfte von Berufswegen dem Herrscher die Wahrheit sagen.

Anfang des 16. Jahrhunderts war dieses Hofnarrentum besonders stark ausgeprägt. Herausragendes Beispiel war Kaiser Maximilian im 16. Jahrhundert. Mein persönlicher Bezug zum Narr-Sein liegt darin, dass der erste urkundlich erwähnte Gräsle um 1520 Hofnarr beim Kaiser Maximilian war. Das war übrigens auch die Zeit des Till Eulenspiegel.

Das bekannteste Buch vor der Reformation hieß:
Das Narrenschiff von Sebastian Brant (* 1457).

Es handelt sich dabei um eine spätmittelalterliche Moralsatire, die eine Typologie von über 100 Narren auf einem Schiff mit Kurs gen Narragonien entwirft und so der verkehrten Welt ihre Laster kritisch den Spiegel vorhält. Das Werk wurde in ganz Europa verbreitet (300 Jahre lang Bestseller in Europa).In dem Buch wurden Habsucht, Machtmissbrauch, Kleidermoden, Schwätzerei, Ehebruch thematisiert – vor allem gegenüber den Herrschenden aus Adel und Kirche!

  1. Narren in der Bibel

Ich möchte ein paar biblische Narren – also „Narren Gottes“ vorstellen

Jeremia kauft einen Krug vom Töpfer, lädt den Stadtrat und die Kirchenleitung ein und geht mit ihnen hinaus vor das Tor und zerschmettert vor aller Augen den neuen Tonkrug – ist das nicht verrückt?

Oder etwas später, als die Stadt eingeschlossen war und durch die Babylonier belagert wurde – was tut der verrückte Jeremia: er kauft einen Acker – weit außerhalb vor den Toren – sozusagen in Feindesland, ein echter Spinner!

Hosea gibt seinen Kindern verrückte Namen wie „Jesreel“, das ist der Name eines Ortes, in dem eine furchtbare Schlacht stattfand – wie wenn heute jemand seinem Kind den Namen „Stalingrad“ geben würde - verrückt!

Hesekiel: Der ehemalige Priester packt eines Tages seine Sachen zusammen, bricht ein Loch durch seine Hauswand und stellt das Zeug am helllichten Tag vor’s Haus. Und Abends packt er sich das Nötigste auf die Schulter, verhüllt sein Angesicht und zieht zur Stadt hinaus. Ist das nicht verrück?

Die Serie ließe sich fortsetzen - Narren um Gottes willen, Verrückte – immer mit dem Geruch des Unpassenden behaftet, des Anstößigen, des kaum zu Ertragenden.

3.Jesus als Obernarr

Nun zum Narr der Narren, zum Obernarren Jesus:  ungeniert verstößt er gegen alle Etiketten:

In einer Welt der Gewalt und des „Wie Du mir, so ich dir“ sagt Jesus: „Wenn Dir jemand auf die eine Backe schlägt, dann halt ihm auch noch die andere hin.“

Oder beim Sabbat: Alle stressen sich ab, um ja nichts falsch zu machen, damit der ersehnte Messias kommen konnte – und Jesus geht mit seinen Kumpeln am Sabbat in die Getreidefelder und bedient sich ungeniert

Oder: Das Volk fastet und betet, damit es etwas näher bei Gott ist – und Jesus sagt, jetzt ist die Zeit zum Festen und Feiern und schlägt sich mit seinen Freunden die Mägen voll!

Zum Essen: Wir wissen, wie wichtig den Juden das koschere Essen war und ist und dass sie alles dransetzten, um ja alle diese Vorschriften einzuhalten und Jesus sagt: Eure kultische Reinheit interessiert doch gar nicht – es kommt nur drauf an, dass jemand innerlich rein ist; kümmert euch darum und lasst mich in Ruhe essen!

Oder: Den vorbildlich lebenden, pflichtbewussten Juden werden Ketzer, Abtrünnige, Samariter als Vorbilder vor Augen gestellt

Oder - noch ein Beispiel: Über Generationen hinweg bemühten sich die Juden, Gottes Willen zu erkennen und festzuhalten. Hunderte von Vorschriften deuten auf die Sorgfalt hin, mit der sie Gottes Willen erforschten. Und dieser Jesus kommt daher und sagt: Ätsch – alles ist ganz einfach. In einem einzigen Satz sage ich Euch Gottes Willen und den der Propheten gleich noch dazu: „Liebe Gott und liebe die Menschen – das ist alles; und das reicht auch.“

Diese närrischen Wahrheiten haben dem Oberrnarren Jesus schließlich das Leben gekostet!

  1. Narren um Christi willen bei Paulus
    Nun zum Paulus – Ausspruch: „Wir sind Narren um Christi willen“. Die Torheit des Kreuzes nennt Paulus das, was so schwer zu begreifen ist. Er schreibt weiter, dass gerade dieses Kreuz für die Juden ein Ärgernis, für die Heiden aber eine Torheit darstellt. In dem verlesenen Text beschreibt ja Paulus sehr drastisch, wie er sich als ein solcher Narr fühlt – als letzter Dreck (Kehricht), als Abschaum der Menschheit! 
  1. Narren um Christi willen – heute?

Mir haben sich zum heutigen Narr-Sein mehr Fragen gestellt als ich beantworten kann.

  • Sind wir uns dessen bewusst, wie schwer Außenstehende (und auch wir selbst) heute diese Kernaussagen des christlichen Glaubens vom Kreuz verstehen??
  • Ist unser Christsein so angepasst, so abgeschliffen, so flach, dass wir deshalb kein Ärgernis erregen bzw. nicht als Narren gelten
  • Haben wir es verlernt, gegen den Strom zu schwimmen? Kennen wir das Gefühl noch, in einer Minderheitenposition zu sein, als Einzelne oder Einzelner gegen alle andern zu stehen?
  • Ist unser Glaube so sehr verinnerlicht, dass er nach außen gar nicht mehr sichtbar wird?? Dass die närrischen Teile des Glaubens gar nicht wahrgenommen werden können, weil sie nicht oder nicht mehr vorhanden sind??
  • Sind wir vielleicht deshalb keine Narren, weil wir die Umkehrung der Werte, wie sie Jesus in der Bergpredigt beschreibt und wie sie am Beispiel der Backe hinhalten deutlich wird, nicht leben?
  • Dem gewaltfreien Jesus nachfolgen! Wäre das nicht die richtige Narren-Botschaft, die unsere Zeit und vielleicht sogar wir Christen so dringend bräuchten? Was müsste sich bei uns ändern?
  • Einladung, vom Glauben her was närrisches zu wagen und solchen Fragen nachzugehen

Amen